Vertrauen ist gut – Absicherung ist besser
Corona hat vieles verändert. Wie wirkt sich die Pandemie auf das Thema Garantien aus?
Matthias Weibel – Eine Garantie kann von Vorteil sein, wenn die Marktbedingungen unsicher sind. Sie ist ein starkes Instrument, mit dem man als Geschäftspartner seine Vertrauenswürdigkeit nach aussen signalisiert und Leistungen oder Zahlungen absichert. Ein Kunde, der eine Anzahlung ohne Garantie macht, leistet einen einseitigen Vertrauensvorschuss. Das wollen und können sich viele Unternehmer heute nicht mehr leisten – in Zeiten von Corona ganz besonders. Gerade in der Maschinenindustrie müssen zum Bestellzeitpunkt normalerweise hohe Anzahlungen geleistet werden, die die Gegenseite aber mit einer Anzahlungsgarantie absichern muss.
Haben Anfragen bezüglich Garantien also zugenommen?
Matthias Weibel – Ja. Wir führen in den Raiffeisen Unternehmerzentren mehr Gespräche zu diesem Thema. Einzig auf die Pandemie kann man das aber nicht zurückführen – es ist vielmehr ein Zeichen der Zeit. Internationalisierung ist für immer mehr KMU ein wichtiges Thema geworden. Das hat auch die jüngste Mittelstandstudie von Raiffeisen und dem Verband Swiss Export klar aufgezeigt. Mit Garantien kann Raiffeisen den Unternehmen den Rücken freihalten und einen Beitrag dazu leisten, dass internationale Geschäfte gelingen.
Volker Käseborn – Richtig. Denn im internationalen Handel sind Garantien auch unabhängig von Corona schon fast zwingend, um überhaupt Zugang zu Geschäften zu erhalten.
Wie häufig kommt es vor, dass Zahlungen oder Leistungen ausbleiben und Garantien tatsächlich ausbezahlt werden müssen?
Volker Käseborn – Das ist in der Praxis sehr selten: Unsere Kunden pflegen sehr stabile, langfristige Geschäftsbeziehungen. Theoretisch ist die Gefahr momentan sicherlich etwas grösser, dass ein Handelspartner aus purer Liquiditätsnot eine Garantie zieht. Ein unkluger Zug allerdings, denn das hätte nicht nur rechtliche Folgen, sondern würde die Vertrauensbasis nachhaltig beschädigen. Ein solches «unfair calling» kommt darum eigentlich überhaupt nicht vor.
Matthias Weibel – Es ist ja ohnehin nicht das Ziel, dass eine Garantie gezogen wird. Die Signalwirkung einer Garantie ist in meinen Augen wesentlich grösser als ihr materieller Wert. Sie zeigt: «Ich geniesse das Vertrauen einer Bank und bin darum auch ein vertrauenswürdiger Geschäftspartner.»
Wie entscheidend ist die Wahl der Bank, bei der man eine Garantie in Auftrag gibt?
Volker Käseborn – Sehr wichtig! Je besser das Rating einer Bank ist, desto mehr Vertrauen strahlt eine Garantie aus. Das Label «Schweiz» ist im Ausland ein zusätzliches Qualitätsmerkmal. Der Begünstigte will sicher sein, dass die Bank zahlen könnte, falls die Garantie gezogen würde. Wenn eine kleine, unbekannte Bank für Millionenbeträge geradesteht, wäre ich misstrauisch.
Gibt es eigentlich Alternativen zur Garantie?
Volker Käseborn – In der Schweiz ist die Bürgschaft stark verbreitet, vor allem bei Geschäften zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Hand. Der Begünstigte kommt bei einer Bürgschaft allerdings weniger leicht an sein Geld, weil Einreden möglich sind und allfällige Differenzen vor der Auszahlung bereinigt werden müssen.
Matthias Weibel – Ein wichtiges Mittel zur eigenen Absicherung ist und bleibt der Zugang zu Wissen und Expertise: Wie sieht mein Zielmarkt aus? Was weiss ich über neue Geschäftspartner? Welche rechtlichen Rahmenbedingungen und Gepflogenheiten muss ich berücksichtigen? Welche Förderinstrumente stehen mir zu?
Für Grossunternehmen ist es sicher leichter als für KMU, dieses Wissen zu erarbeiten.
Matthias Weibel – Da bin ich nicht einverstanden. Internationalisierung ist kein Privileg von Grossunternehmen. KMU müssen sich vielleicht eher Unterstützung holen, weil sie nicht über Export-Spezialisten in ihrem Team verfügen. Hier können die Berater der RUZ oder der Bank eine wichtige Stütze sein und die ganze Palette von Sicherheits und Förderinstrumenten aufzeigen.
Wie wird sich diese Palette künftig entwickeln? Welche Rolle spielt die Digitalisierung?
Volker Käseborn – Es gibt Trends in Richtung einer stärkeren Automatisierung der Prozesse. An die voll automatisierte Garantie glaube ich allerdings nicht.
Matthias Weibel – Das kann ich gut nachvollziehen. Wie gesagt, spielt bei der Bankgarantie das Vertrauen eine grosse Rolle. Dies ist eine Sache zwischen Mensch und Mensch, nicht zwischen Mensch und Maschine.
Volker Käseborn – Innovationen erwarte ich eher auf der Produkteseite. Beispielsweise zeigen Garantien im Dienstleistungssektor grosses Wachstum. Auch der Bereich Onlinehandel ist spannend. Um nochmals auf Corona zurückzukommen: Die Pandemie hat zu einem OnlineBoom geführt, aber auch die Verletzlichkeiten internationaler Lieferketten aufgezeigt. Es ist wahrscheinlich, dass auch hier Garantien vermehrt eingesetzt werden.
Quelle: Bhend, Bettina: Vertrauen ist gut – Absicherung ist besser, in: Savoir Faire (1/2021), S. 14-15.
Volker Käseborn ist Diplom-Kaufmann und Experte für internationale Handelsbeziehungen. Bei Raiffeisen Schweiz leitet er den Bereich Export Finance & Garantien.
Matthias P. Weibel war über viele Jahre Mitinhaber einer internationalen Maschinenbaufirma und ist heute Geschäftsführer des Raiffeisen Unternehmerzentrums RUZ.